Smalltalk mit Milliardären

Milliardäre können gar nicht anders: Jeden Tag werden sie mindestens 100.000 Euro reicher. Können sie uns nicht einfach vor allem Unheil retten? Nein. Es ist das Gespräch nicht wert. Drei Vorschläge gegen die Verlegenheit beim Smalltalk mit den Crazy Rich.

Gehen wir von einem einfachen Milliardär aus, einem einzelnen Menschen mit einer einzelnen Milliarde Euro. Er legt sein Geld sehr vorsichtig und zurückhaltend, absolut krisensicher mit stabiler Rendite an. In dieser Preisklasse sind das 7 Prozent, also 70 Millionen Euro Ertrag im Jahr. Damit kann er immer planen. Im Alltag, nach Abzug aller Kosten für den gierigen Staat, das fleißige Family-Office, die Piloten, Köche und Kapitäne, bleiben ihm netto 100.000 Euro Geldzufluss am Tag.

Dieses Geld prägt Persönlichkeiten, nicht nur die des Milliardärs, sondern die aller, die mit ihm zu tun haben. Das Geld lässt kein Gespräch und kein Gemüt unberührt. Julia Friedrichs hat darüber in ihrem Buch CRAZY RICH geschrieben. Die Textstelle ist kurz und aussagekräftig. Sie schildert es stellvertretend für jeden.

Reichtum verleiht Autorität und schafft Distanz. Konfrontiert mit seiner extremen Form, mit Hunderten Millionen Euro, fällt es schwer, sich nicht unbedeutend zu fühlen, sich nicht devot zu verhalten. Es wird mir so gehen, als mich ein Milliardär überraschend auf dem Handy anruft, um über meinen Brief zu plaudern; als ich einem anderen in seinem eigenen Hauben-Restaurant, wie die Gourmet-Küche in Österreich heißt, gegenübersitze; als sich ein Dritter aus den USA zum Vorgespräch mit seinem Presseberater in den Zoom-Call schaltet. Immer klopft mein Herz schneller als bei anderen Interviews.

Julia Friedrichs

Während wir Normalos noch einmal eine Nacht darüber schlafen, warten Milliardäre einfach auf den nächsten Morgen. Die 100.000 Euro liegen beim Frühstück schon auf dem Tisch. Sitzen wir mit dabei, fühlen wir: Bis zum Mittagessen hat unser Gegenüber schon das nächste überdurchschnittliche Jahresgehalt eingesackt. Wenn wir uns mit ihm für nächste Woche verabreden, ist schon wieder eine Million verbucht. Zeit ist hier einfach Geld. In unserer Rechnung ist jede Sekunde einen Euro wert, jede Stunde 4000 Euro.

Wenn wir mit einem Milliardär reden, reden wir mit jemandem, der (beinahe) alle unsere Probleme einfach so lösen könnte, durch simplen Zuruf: „Herr Milliardär, wir brauchen neue Trikots für unsere E-Jugend. Könnten Sie was zuschießen?“ „Aber klar!“ Dieser Vorgang, von der vorgetragenen Idee bis zur fertigen Erledigung durchs Personal, dauert viel länger, als die Sache kostet.

Was also sollte man mit Milliardären überhaupt je besprechen? Angelegenheiten, die erst beredet und geklärt werden müssen, scheint es ja kaum zu geben. Will ein Milliardär ein Problem lösen, löst er es, wenn nicht, nicht. Im Podcast reden wir daher nur noch von „Willionären“. Wenn Milliardäre etwas wollen, kriegen sie es. Was sie nicht wollen, ist nicht einmal der Rede wert.

Mit Milliardären gibt’s einfach wenig zu besprechen. Oder muss man nur die richtigen Themen aufwerfen, welche an die Substanz gehen!? Typischerweise wollen Milliardäre genau das nicht. Sieht man sie im persönlich-politischen Gespräch, oder zunehmend auch im Fernsehen, reden sie von ihren Sportvereinen, Projekten in der Dritten Welt, Marsmissionen und der Apfelweinkultur. Sie umschiffen die Substanz, doch genau da wollen wir ran.

Niemals an die Substanz!

Scott Galloway beschreibt die „Buy, Borrow, Die“-Strategie in einem Video.

Ich kaufe Aktien. Dann gehe ich zur Bank und die Bank gibt mir einen steuerfreien Kredit mit meinen Aktien als Sicherheit. Jetzt habe ich Geld, steuerfrei. Wenn du eine Million in Aktien hast und sie steigen auf 2 Millionen, wirst du darauf nicht besteuert, bis du verkaufst. „Also verkauf einfach nie. Verkauf einfach nie.“

Noch ein Hinweis vorab, falls ihr wirklich mal in die Verlegenheit kommt, mit einem Milliardär zu reden. Macht euch frei von dem Gefühl, sie würden in euer Schicksal eingreifen. Ja, sie könnten, aber sie werden es nicht. Also hofft es nicht. In unserer verzuckerten, verdummten und verschwenderischen Welt macht niemand, was für alle, geschweige denn für einen selbst am besten ist. Seien wir also erstmal ehrlich: Was würden wir mit einer Milliarde machen? Nichts! Wir würden auch nur egoistisch von der Rendite leben. Okay! Dann also wenigstens Spaß am Gespräch. Hier meine Themen-Vorschläge.

Wettern gegen Enteignungen! Ständig kommt jemand und will was von deiner Kohle. Der Staat will Steuern, der Bruder sich was leihen, beim Einkaufen ist alles zu teuer. Hier kann man erst ein bisschen komplementäre Beziehungsgestaltung machen, wie ein Therapeut, der Vertrauen schafft. Dann allerdings, konsequent bleiben! Die größten Enteigner sind die Arbeitgeber. Nennen wir es Personaleffizienzquote (PEQ), oder Kollegen-Kapital-Koeffizient (KKK), oder Mitarbeiter-Monetarisierungsmaß (MMM) ➟ Gewinn eines Unternehmens geteilt durch Anzahl der Mitarbeiter. Da bleibt immer was, das weggenommen wird. Wir kennen die Argumentation: Ja, man braucht die Mitarbeiter für den Profit. Aber umso unbedeutender ist, wer die Tätigkeit konkret ausübt, desto mehr kann man denjenigen lohndrückend enteignen. Das ist unfair. Denn das Argument „das kann ja jeder“ gilt für alle. ’Ne Milliarde haben? Kann ich auch!

Widersprecht Marx-Denke! Lest Marx richtig. Milliardäre sind darauf angewiesen, dass jemand für sie arbeitet. Sie schaffen „Stellen“ für Arbeit, die sie selbst nicht erledigen können und wollen. Allerdings kriegen sie die PEQ-Enteignung nur hin, wenn sich mindestens zwei Arbeiter auf diese Arbeitsstelle bewerben. Sie brauchen also nicht nur eine feste Belegschaft, sondern auch eine „industrielle Reservearmee“ von möglichen Mitarbeitern und Arbeitslosen. Dieser Überhang an Proletariat ist jedoch kein Naturzustand, sondern selbst Ergebnis des kapitalistischen Produktionsprozesses. Der Kapitalismus erzeugt Kapital & Proletariat.1 Mein Tipp: Nicht marxistisch denken! Die Definition des Menschseins erschöpft sich nicht in der Unterscheidung Arbeiter / Arbeitslose. Niemand versteht das so gut wie ein Milliardär.

Wir haben die Marxismus-Theorie anhand von Thorsten Frei bei Markus Lanz im Podcast DIE NEUEN ZWANZIGER vom November 2024 besprochen

Als weitere Themen eignen sich alle, für die man Fremde und allgemeines Publikum braucht. Damit ist die Öffentlichkeit gemeint, vor der man sich nicht sinnvoll abschotten kann, weil sie zur Qualität dazugehört. Sich die Lieblingsband privat zu buchen, ist Quatsch. In die Oper zu gehen und sich an Stücken mit Hundertschaften Chor und Orchester zu erfreuen, fühlt sich merkwürdig an, wenn niemand sonst im Publikum sitzt. In einen Zoo zu gehen, in dem es tausend Tiere, aber nur zwei Besucher gibt, ist auch Unfug. Also nicht über Essen, Ausflugsziele und Kunst reden, sondern nur über lebendige Kultur. Dazu sollte man aber wissen, wovon man redet. Und etwas wert sein sollte einem die öffentliche Kultur auch.

  1. Marx O-Ton: „Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. Die disponible Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums. Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte Übervölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die […] die industrielle Reservearmee, desto größer der offizielle Pauperismus. Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation.“ (Wikipedia) ↩︎

Alle Texte als Podcast (ki-gelesen) und demnächst REDAKTIONSSCHLUSS als kommentiertes Hörbuch (von mir gelesen) gibt es bei Steady.


4 Antworten

  1. Du hast mega Plan wie man „KI“Modelle gut verwendet… eine professionelle Meta-Analyse oder noch tiefer von die Neuen 20er wäre mal genial, ein Netz des Wissens von euch, was ihr nachhaltig korrekt zusammengedacht habt.

  2. Ki liest „Crazy Reisch“ … vielleicht sollte man doch noch Menschen lesen lassen…

  3. Avatar von Christian

    Einer der besten Tekste seit langen, von allen. das musste mal gedacht werden. Takk

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