Opferolympiaden haben keine Sieger

Montag, 5. November 2018, 19:34 Uhr

Wir haben die alten Institutionen noch, und zwar nicht nur aus Tradition. Aber mit purer Existenz ist noch nicht geklärt, was sie noch leisten können – die CDU, die Kirchen, die Universitäten und die Medien. Sebastian Kurz und Emmanuel Macron haben das neue Gefüge schon auf die Probe gestellt: Möglichst unauffälliges Kompromissefinden und Strippenziehen und wenn es um nichts geht trumpfen sie medial auf. Konkrete Probleme, selbst wenn sie auf der Straße liegen, haben es heute schwer. Der identitätspolitisch begründete, moralische Punkt lässt sich aber immer gut setzen, insbesondere, wenn man mit ihm die Opferolympiade ein Stück weiterdrehen kann. Ist das die Zukunft? Wenn ja, reicht der Treibstoff Tradition zur Aufrechterhaltung der alten Institutionenordnung vielleicht nicht. Der Weg durch die Rentnerrepublik wird lang.

alt, aber nicht überflüssig
Michael Panse

Heute ein buntes Sammelsurium durch eure Hörerkommentare. (Autom. erst. Transkript)

5 Gedanken zu „Opferolympiaden haben keine Sieger“

  1. Junge Mediziner sind eher Mundwerker als Handwerker. Als Medizinstudent kann ich diese Beobachtung nur teilen. Und es ist genau so gewollt und genau so richtig.
    Was allerdings falsch ist, ist die Verschiebung zur Mundarbeit als ein Übergewicht des akademischen Wissens über das Handwerk zu betrachten. Das, was tatsächlich heute mehr im Vordergrund steht als das Handwerk, sind nicht die klassischen akademischen Disziplinen. Unsere Professoren beschweren sich oft (Berlin ist da noch einmal ein Extremfall durch den Modellstudiengang), dass wir in den Grundlagenfächern Anatomie, Physiologie, Biochemie etc. schlechter sind als die Studenten und Ärzte vor 10 Jahren.
    Was heute im Medizinstudium viel mehr Beachtung erfährt ist der Umgang mit den Patienten: Kommunikation, Anteilnahme, Therapien verständlich zu erklären, auf Bedürfnisse einzugehen, psychische Belastungen zu erkennen und Beistand zu leisten.
    Während Psychologie/Soziologie früher eher ein Fach war, dass alle (außer angehenden Psychiatern) schnell hinter sich bringen wollten, haben wir heute zusätzlich noch KIT (Kommunikation/Interaktion/Teamfähigkeit) vier mal pro Semester, von Anfang an Patientenkontakt und auch in Vorlesungen und Seminaren wird oft Wert auf Stigmatisierungen durch Krankheiten und Nebenwirkungen und Ängsten im Bezug auf Therapien gelegt.
    In einem sowieso zu kurzen Studiengang müssen dafür zwangsläufig andere Kompetenzen kürzer unterrichtet werden.

    1. Der Kommentar ist nicht vollständig. Da bin ich wohl mit der Maus ausgerutscht.

      Diese Verschiebung zum Mundwerk, die hier erzeugt wird, wird den Anforderungen an Ärzte viel mehr gerecht als früher.
      Gerade in der Rentnerrepublik, wo der Anteil der Gesellschaft, der regelmäßig auf medizinische Hilfe angewiesen ist, wächst, brauchen wir diese Softskills, die früher vernachlässigt wurden immer mehr.
      Entscheidenden Anteil am Erfolg jeder Therapie hat die Compliance (früher Adhärenz) der Patienten. Compliance meint, dass die Therapie tatsächlich wie geplant umgesetzt wird. Die Probleme dabei nehmen zu. Um einige Beispiele zu nennen: kultureller Background (durch zunehmende Migration), Verständnisprobleme (durch das steigende Alter der Patienten), Zweifel und Ängste (durch den Anspruch der Patienten mitzuentscheiden und gleichzeitig großem Angebot an Fehlinformationen im Internet).
      Außerdem haben Ärzte auch zunehmende psychische und soziale Verantwortung. Wenn der soziale Zusammenhalt vor allem in Familien abnimmt, sind Ärzte oft auch Ansprechpartner bei anderen Problemen und müssen darauf angemessen reagieren können.
      Unsere Ausbildung gibt uns zunehmend die notwendigen Softskills dafür. Was allerdings im Klinikalltag immer noch fehlt, ist die Zeit, sich diesen Problemen auch anzunehmen.
      Jede Automatisierung des Handwerks, die Zeit und Personal zum Beispiel bei Operationen spart, gibt uns mehr Zeit unser genau so wichtiges Mundwerk auszuüben. Entwicklungen wie Operationsroboter finde ich von daher nur Begrüßenswert.
      Der handwerklichen Fähigkeit früherer Ärzte nachzutrauern, ist für mich vollkommen falsch. Die Ausbildung verändert sich, so wie die Anforderungen sich verändern und diese Entwicklung setzt viel zu spät ein. Genug Menschen haben schon Vertrauen in das Gesundheitssystem verloren durch schlechte Erfahrungen mit autoritären, nicht empathischen Ärzten. Das stärkt nur Alternativmediziner, die zwar unwirksame Therapien vertreiben, aber die Softskills oft besser beherrschen.

  2. Hallo Stefan, am Anfang deiner Sprachspur ist sehr hoher Ton zu hören. Das hört sich an wie eine Mücke ein paar Oktaven höher oder wie ein hochgepitchter Zahnarztbohrer. Bei der Titelmelodie ist es nicht zu hören. Ich habe auch gerade wahllos vorgespult; da scheint es weg zu sein. So für Fledermausohrenmenschen wie mich ist das ähhh… puhhh die Hölle. Naja, es scheint ja nur am Anfang zu sein.

  3. Rentnerrepublik … Schottland:

    Schottland BRAUCHT junge Einwanderer, JETZT! Ja, JETZT! … Schade, Brexit.

    > The working-age population is set to fall from 2018 onwards, alongside a big increase in the number of over-75s.
    > The committee’s report said a „key factor“ behind this was demographic change and population growth, with the number of people in the 16-64 working-age bracket set to shrink in the immediate future.
    > The Scottish government’s fiscal outlook states the issue is „set to accelerate from 2021 onwards“, and at a faster rate than in the rest of the UK – adding that this challenge „will continue for at least the next 25 years“.

    https://www.bbc.co.uk/news/uk-scotland-scotland-politics-46114518

  4. Was ist mit der generationsbedingten Angst (besserer Name gewünscht)? Sprich: Jung gegen Alt. Ich habe das Gefühl, dass wir jungen Leute uns viel zu wenig bewusst sind, was da auf uns zukommt, mit dem Generationenvertrag. Hilfreich ist auch nicht, dass sowohl die 18-28 jährigen sowie die 0-18 jährigem im Bundestag personell und inhaltlich unterrepräsentiert sind. Ich frage mich (als Jugendlicher) wie ich meine Mitmenschen für dieses große Thema (Generationenvertrag im sozialstaatlichen als auch im umweltpolitischen Sinne) besser sensibilisieren und dann hoffentlich auch mal mobilisieren kann.

    In diesem Sinne freue ich mich wirklich auf dein Buch. Hab gerade mal am Kieler Bahnhof im Buchladen nachgefragt, was es dazu denn so aktuell an nicht zu wissenschaftlichen Büchern gibt.. Nur EIN EINZIGES (WIR von Michael Vogler).

    Also schonmal im Vorhinaus ein riesen Dankeschön, wenn auch noch ohne finanzielle Unterstützung;)

    LG
    Lukas

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