Mark Zuckerbergs Visionen (zerstört)

Montag, 5. August 2019, 15:06 Uhr

Wenn Politiker debattieren, sind die Sätze geschliffen und die Gedanken klar. Aber sogar Polit-Strategen wie David Axelrod sehen ein, dass man so am Kern der Probleme vorbeidiskutiert. Das Outsourcing der Arbeitswelt in die Maschinen und die Diversifizierung der Parlamente macht manchen Menschen so viel Angst, dass sie nur im Amoklauf einen Ausweg sehen. Worüber sollte man eigentlich mal sprechen? Ich gucke heute in die Diskussion von Yuval Noah Harari und Mark Zuckerberg vom April, die immer aktueller wird. Der Philosoph hat dem Praktiker den Knüppel übergezogen und ihm – und uns – ordentlich den Kopf gewaschen.

Ich höre Hacks on tap und No Agenda Show (1161) und gucke Mark Zuckerberg mit Yuval Harari.

6 Gedanken zu „Mark Zuckerbergs Visionen (zerstört)“

  1. Hi Stefan,

    ich finde deine Talk Radios wie du sagen würdest spectac. Von Hararis Ideen bin ich eben so begeistert wie du und danke dir sehr, dass du die ein oder andere mir nochmal näher bringst.

    Ich bin mir nicht ganz sicher, ob du das Buch „Homo Deus“ von ihm gelesen hast, allerdings macht er dort einen meiner Meinung nach bahnbrechenden Punkt, der hier in dem Video auch anklingt. Und zwar geht es um den Wechsel vom Glauben an Gott (oder ähnliches) als sinngebendes Element hin zum Humanismus, bei dem der Sinn des Lebens von Menschen ausgeht.
    Dieser Humanismus steht seiner Meinung vor dem Ende, weil der freie Wille genauso ein Hirngespinst ist wie ein Gott, Menschen letztendlich keinen freien Willen haben und funktionieren wie ein Algorithmus.
    Jedes Mal wenn ich versuche mit anderen Menschen über diese Idee zu sprechen werde ich extrem zurückgewiesen, gewisser Maßen wie ein Ketzer aus dem Mittelalter, der Gott leugnet.

    Mich würde sehr interessieren wie du über die ganze Thematik denkst.

    Liebe Grüße

    1. Genau das fand ich bei Homo Deus problematisch. Der Großteil des Buches beruht ja auf dieser These.
      Die Begründung kommt mir aber viel zu kurz.
      Ob es einen freien Willen gibt ist eine metaphysische Frage. Zumindest so lange, bis jemand zeigt, dass man sie naturwissenschaftlich beantworten kann.
      Harari diskutiert die Frage aber weder richtig metaphysisch, noch naturwissenschaftlich. Er ordnet den Humanismus in sein Weltsystem ein und macht dann ein paar von den fake-naturwissenschaftlichen Argumenten, die ich schon zehn mal gehört habe. Fake-naturwissenschaftlich, weil die Signifikanz der Messungen und Vorhersagen, die immer als Beispiel genommen werden, viel zu gering ist. Und außerdem die Experimente oftmals nicht genau zur Fragestellung passen.

      Am Ende des Buches konnte ich den Harari-Hype nicht mehr verstehen. Er hat auf jeden Fall einige kluge Gedanken. Aber im Endeffekt ist er nur noch irgendjemand, der denkt er könnte die ganze Welt in ein einziges System packen. Daran ist schon Hegel gescheitert.

  2. Ich habe gerade Deinen Podcast gehört. Dem englischen Dialog zu folgen ist für mich immer etwas anstrengend. Eigentlich wollte ich schon nach einem Drittel wieder abschalten. Aber, deine anschließende Zusammenfassung und Ergänzung um eigene Gedanken des Dialogs, haben mich insgesamt gut folgen lassen können. Danke für die sehr gute und geschickte Kommentierung!
    Der wichtigste Punkt, der mich dann zum Dranbleiben motiviert hat, war der Gedanke, dass Technologie nichts besser macht, aber eben bestehendes effizienter. Ich denke dies ist der entscheide Grundkonflikt dem wir ausgeliefert sind. Wenn man diesem Gedanken weiter folgt, dann kann man auch ganz nüchtern AI (KI) betrachten. Wenn man nämlich grundsätzlich annimmt, das AI die Dinge hilft effizienter zu gestalten, aber eben nichts besser macht, dann ist es immer und ausschließlich die Aufgabe und die Verantwortung des Menschen die Dinge zum Besseren oder eben auch zum Schlechter zu verändern. Wenn wir uns also nicht mehr um die Effizienzsteigerung unserer wirtschaftlichen Existenz mehr Gedanken machen müssen, dann können wir uns von Manipulationen frei machen und selbst Beginnen zu entscheiden was uns nützt und was uns schadet und wie der Gewinn aus der Effizienzsteigerung verteilt wird. Denn wir haben ja Zeit darüber nachzudenken.
    Warum bewegt mich das so? Nun ich arbeite für Siemens als kleines Rädchen an der großen Vision der digitalen Fabrik mit. Und gerade heute Morgen, wirklich ganz zu fällig, fällt mir folgendes Video in die Hand (https://dms.licdn.com/playback/C5605AQG6JXYZ5ysSCg/ba2bb5969b794616898b21f668f246d8/feedshare-mp4_3300-captions-thumbnails/1507940147251-drlcss?e=1565247600&v=beta&t=ClqKrZRXZbXsWkt7DNr0Ly7TysqP7YwDCqvR2Bv-KzY)
    Klar und einfach zu erkennen worum es hier geht. Klar aber auch, es wird im Film implizit angenommen, dass dadurch die Dinge sich zum Besseren wenden werden. Nun ja für Manchen von uns wahrscheinlich. Aber wirklich auch für die große Masse der Gesellschaft? Das kann man nicht mit Bestimmtheit sagen. Das eben hängt von uns, der Gesellschaft, ab. Deshalb brauchen wir den mündigen und nicht den Wut-Bürger. Für mich hat Mausfeld in diesem Vortrag sehr gut erklärt, wozu der mündige Bürger in der Lage ist, wenn er sich selbst bewusst wird (https://www.tele-akademie.de/begleit/video_ta181202.php).
    Danke für Deine Arbeit! Ich hör Dir wirklich gern zu!

  3. Die ausgewählten und besprochenen Ausschnitte mit Harari sind hochinteressant, danke! Fand auch den Punkt über den neuen digitalen Kolonialismus spannend, hat mir zu Denken gegeben.

    Hararis Einwände, denen Du (Stefan) dich angeschlossen hast, erscheinen mir überwiegend stichhaltig, treffen einen Nerv. Ich denke jedoch, dass man bei diesen teils wirklich diffizilen Themen der Wahrheit noch näher kommt, wenn man die Analyse nicht zu sehr nach dem Prinzip „Entweder muss A richtig sein oder B“ aufzieht und dadurch eventuell wichtige Faktoren voreilig ausschließt. Ohne hier das Feigenblatt der tatsächlichen oder behaupteten Komplexität überzustrapazieren: ich werde skeptisch, wenn man zu schnell den einen alles erklärenden Grund für alles andere als triviale Phänome gefunden haben will. Aber vielleicht ist das eben jenes Risiko, welches das Aufsetzen der Historiker-Brille in sich birgt? 😉

    Auch wenn sich Zuckerbot..äh..berg und sein pseudo-weltverbesserliches Marketinggesülze mitunter schwer ertragen lässt und mich das Gedankengut der Silicon Valley-Gurus gruseln lässt, muss man schon die Relativierung zugestehen, dass es zumindest nicht das Diktat der Social-Media-Logik allein sein kann, dass die Leute zu Terroristen/Neofaschisten etc. umprogrammiert. Ja, facebook und co. machen etwas mit den Menschen (nichts gutes) und man kann sich dem nicht so leicht entziehen, alles nicht von der Hand zu weisen. Dennoch, es müssen gewisse Vorbedingungen außerhalb der digitalen Sphäre erfüllt sein, damit Radikalisierungspotentiale bestimmter Personen überhaupt freigesetzt werden können durch gezieltes Adressieren.
    Stichworte wie Ungleichheit hat Harari ja sogar auch geliefert, nur eben in einem anderen Zusammenhang. Außerdem: Rechtsaußenwähler, Wutbürger und Fundamentalisten sind in der Tat keine homogene Masse aus strukturell/persönlich „Abgehängten“, das ist wichtig zu betonen, aber auch hier spielen Perspektivlosigkeit, prekäre Existenzbedingungen, Entwurzelung, Deklassierung usw. sicherlich entscheidend mit rein.

    Multifaktoriell statt monokausal denken und auch Wechselseitigkeiten mitreflektieren! Bin sicher kein Spezialist, aber Latour lesen hilft meines Erachtens eigentlich meistens, bei verschiedenen Themengebieten. Ich hoffe, ich bin nicht zu sehr vom Hauptthema abgekommen. 😉

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