Journalismus nach #Relotius

Donnerstag, 20. Dezember 2018, 17:53 Uhr

Gute Reportagen schreiben und mit ihnen Journalistenpreise gewinnen ist „auch ein ethisches Problem“, schrieb Claudius Seidl schon 2010. Denn gute Reportagen verführen ihren Autor, zu verschleiern, dass sie nicht aus „Fleisch, Blut oder quietschenden Autoreifen“ bestehen, auch wenn sie davon handeln, sondern nur aus Worten, die ein Autor wählt, mit denen er wie ein Gott durch das Erleben seiner Leser pflügt. Doch wo ist die „asketische moralische Strenge“, die sich aus dieser Verantwortung ergibt? Beim Spiegel hat nicht nur ein Autor betrogen, sondern ein System versagt. Und ein ganzes jouranlistisches Genre ist daran gescheitert. Nur eingestehen will man es sich wieder einmal nicht. Fürs Schreiben der Rentnerrepublik denke ich heute etwas in Zeitnot darüber nach.

Roland Pernter

Ich lese Claudius Seidls Text von 2010 und Frank Schirrmachers Text von 2011. Erwähnt habe ich einen Text bei den Salonkomunisten und die Reportage von Spiegel-Chefr. Fichtner. Und zur Lektüre empfohlen ist hiermit der Text von Michele Anderson und Jake Krohn aus Fergus Falls.

Noch zwei unangesprochene, aber inhaltlich passende Verweise auf mich selbst. Ich habe 2013 über „Ausgedachte Wirklichkeiten“ geschrieben, und damit über eine Annäherung an Politik jenseits des Journalismus. Ich habe vergangenes Jahr in einem Vortrag umrissen, warum es Journalistenpreise gibt: Sie sind das einzige Forum der Verständigung, was guter Journalismus sei.

(Transkript, von Samuel korrigiertes Transkript (ohne Audio))

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Ein Gedanke zu „Journalismus nach #Relotius“

  1. Angesichts der Tatsache, dass sich Vieles sehr viel besser durch den Stil der Reportage verstehen lässt als durch eine nüchterne Aneinanderreihung von Fakten, halte ich die Reportage für unverzichtbar.
    Es wäre löblich, wenn mit aufwändiger Recherche ermittelt werden würde, wieviele Menschen sich gegenwärtig mit Flaschensammeln über Wasser halten. Aber zu begreifen, was das eigentlich bedeutet und von diesem Schiksal berührt zu werden, dass schafft allenfalls die Reportage. Deswegen, wegen ihrer politischen Relevanz, feiere ich die Reportage anhand dieses grandiosen Beispiels:
    https://www.zeit.de/2006/48/Hoffmanns_Blick_auf_die_Welt

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