Japan ist nah, aber schon weiter

Donnerstag, 10. Januar 2019, 18:44 Uhr

Conan, der Comedian, fährt nach Japan und mietet sich bei „Family Romance“ eine Fake-Familie. Was in der Fernsehshow sehr unterhaltsam ist, funktioniert aber tatsächlich. Die Fake-Familien sind echt, man muss sie nur bezahlen. In Japan braucht man nämlich einen Fake-Ehemann, sonst bekommt man keinen Kindergartenplatz. Und manchmal lassen sich die Arbeitskollegen mit einer Trophäe an der Seite beeindrucken. In Deutschland gibt’s das nicht. Oder doch? Hierzulande mieten sich alte Männer als Sugar Daddies junge Frauen, die sich ihrerseits gleich von mehreren Männern anmieten lassen. Soziale Beziehungen lassen sich durch Geldzahlungen sehr viel besser aushalten. Vielleicht ist es ein Erfolgsrezept für die #Rentnerrepublik, die Erfolge im Kampf gegen Einsamkeit sucht.

Mike Reddy

Ich gucke Conan in Japan und den anschließenden Besuch bei Family Romance. Als Link zur Arte-Doku verweise ich euch an eine angemessen witzig geschriebene Rezension beim Spiegel. (Transkript)

Einsamkeit wächst mit dem Wohnraum

Freitag, 4. Januar 2019, 15:13 Uhr

In Deutschland sterben wir, ganz selbstverständlich, in den Häusern, die wir mit dreißig finanziert und gebaut haben. Genauso unhinterfragt ist Einsamkeit eines der größten Probleme, insbesondere alter Menschen. Gibt’s da denn keine Lösung? Wohnt man in der Schweiz in einer Genossenschaft, muss man umziehen, wenn die Kinder aus dem Haus sind. In Deutschland ist dieser Weg zum dichteren peer-group Wohnen häufig verbaut. Zu wertvoll sind uns unsere Wohnungsschätze, deren Preis wohl auch von der Mafia getrieben wird. Transparency International schätzt, dass zehn Prozent des deutschen Immobilienmarkts aus Geldwäsche besteht. Nur das Fernsehen bietet einen Ausweg und simuliert mit abendlichen Talkshows Geselligkeit im leeren Wohnzimmer.

Giandomenico Jardella

Ich gucke funks Dinge Erklärt zur Ensamkeit, SWR Nachtcafe zur Einsamkeit, ich höre SWR2 Forum übers Wohnen und noch Niklas Maak bei ARD alpha. (Transkript)

Journalismus nach #Relotius

Donnerstag, 20. Dezember 2018, 17:53 Uhr

Gute Reportagen schreiben und mit ihnen Journalistenpreise gewinnen ist „auch ein ethisches Problem“, schrieb Claudius Seidl schon 2010. Denn gute Reportagen verführen ihren Autor, zu verschleiern, dass sie nicht aus „Fleisch, Blut oder quietschenden Autoreifen“ bestehen, auch wenn sie davon handeln, sondern nur aus Worten, die ein Autor wählt, mit denen er wie ein Gott durch das Erleben seiner Leser pflügt. Doch wo ist die „asketische moralische Strenge“, die sich aus dieser Verantwortung ergibt? Beim Spiegel hat nicht nur ein Autor betrogen, sondern ein System versagt. Und ein ganzes jouranlistisches Genre ist daran gescheitert. Nur eingestehen will man es sich wieder einmal nicht. Fürs Schreiben der Rentnerrepublik denke ich heute etwas in Zeitnot darüber nach.

Roland Pernter

Ich lese Claudius Seidls Text von 2010 und Frank Schirrmachers Text von 2011. Erwähnt habe ich einen Text bei den Salonkomunisten und die Reportage von Spiegel-Chefr. Fichtner. Und zur Lektüre empfohlen ist hiermit der Text von Michele Anderson und Jake Krohn aus Fergus Falls.

Noch zwei unangesprochene, aber inhaltlich passende Verweise auf mich selbst. Ich habe 2013 über „Ausgedachte Wirklichkeiten“ geschrieben, und damit über eine Annäherung an Politik jenseits des Journalismus. Ich habe vergangenes Jahr in einem Vortrag umrissen, warum es Journalistenpreise gibt: Sie sind das einzige Forum der Verständigung, was guter Journalismus sei.

(Transkript, von Samuel korrigiertes Transkript (ohne Audio))

Migration als demographische Magie

Mittwoch, 28. November 2018, 13:24 Uhr

Wenn man in Japan hundert Überstunden in einem Monat ansammelt und im nächsten stirbt, geht man in die Karoshi-Statistik der Regierung ein. Es sei denn, man tötete sich selbst, dann ging man den freiwilligen Helfern der Präventionsvereine durch die Lappen, die um Brücken und Clippen spazieren, um Menschen vom Suizid abzuhalten. Man rutscht dann in eine andere Statistik. Wenn sie die Arbeitswelt überleben, ist die Chance inzwischen 50:50 für Neugeborene, einmal hundert Jahre alt zu werden. Mit nichts davon haben wir hier Erfahrung, doch in zehn Jahren sind das alles auch unsere Probleme. Es sei denn, wir denken über Migration neu nach und schaffen es, mehr als 1,57% Erbschaftssteuer zu erheben. Wir sind Protagonisten im spannendsten – und geheimsten – Thriller der westlichen Welt.

yukikei

Ich lese heute Economist, FAZ und gucke Tagesthemen und heute Journal (Transkript)

Gibt’s wirklich keine Millennials?

Montag, 12. November 2018, 14:19 Uhr

Ein Geist geht um in den Feuilletons. Plötzlich, heißt es, gibt’s keine Millennials mehr, keine Babyboomer und keine Generation X. Die 68er haben ja damals schon versagt. Alles nur eingebildet, herbeigetrickst und ausgedacht. Jetzt wird natürlich fleißig nachgeplappert, was man immer schon wusste. Aber, was liest man wirklich in Martin Schröders Text über den Generationenmythos? Steht da eine Absage an die Generationen drin? Welche X-, Y-, Z-Zuspitzungen sind wirklich „Kokolores“, wie er selbst im Deutschlandfunk sagt? Mit ihrer neuen Sicht auf die Unterschiede der Generationen stellen die Zählmeister der quantitativen Sozialforschung der Soziologie mal wieder ein Bein.

Max Gaines

Ich lese Martins Schröders Text „Der Generationenmythos„, empfehle euch aber „Die Diagnosegesellschaft“ von Fran Osrecki. Der Audioclip ist aus der Wochendämmerung. (Autom. erstellt. Trankript)

Opferolympiaden haben keine Sieger

Montag, 5. November 2018, 19:34 Uhr

Wir haben die alten Institutionen noch, und zwar nicht nur aus Tradition. Aber mit purer Existenz ist noch nicht geklärt, was sie noch leisten können – die CDU, die Kirchen, die Universitäten und die Medien. Sebastian Kurz und Emmanuel Macron haben das neue Gefüge schon auf die Probe gestellt: Möglichst unauffälliges Kompromissefinden und Strippenziehen und wenn es um nichts geht trumpfen sie medial auf. Konkrete Probleme, selbst wenn sie auf der Straße liegen, haben es heute schwer. Der identitätspolitisch begründete, moralische Punkt lässt sich aber immer gut setzen, insbesondere, wenn man mit ihm die Opferolympiade ein Stück weiterdrehen kann. Ist das die Zukunft? Wenn ja, reicht der Treibstoff Tradition zur Aufrechterhaltung der alten Institutionenordnung vielleicht nicht. Der Weg durch die Rentnerrepublik wird lang.

alt, aber nicht überflüssig
Michael Panse

Heute ein buntes Sammelsurium durch eure Hörerkommentare. (Autom. erst. Transkript)

Hundert, aber nicht alt

Donnerstag, 25. Oktober 2018, 16:37 Uhr

Hundert Jahre, ist das eigentlich alt? In Deutschland hat heute jeder Unterzehnjährige gute Chancen, sein hundertstes Lebensjahr zu erreichen. Also, ja, hundert ist alt, aber bald auch normal. In Japan, wo es heute 60.000 Hundertjährige gibt, plant man schon für sie die neue Gesellschaft. Mit weniger „Hektik und Gedränge“, das ist gut. Aber was ist mit der Freude im Alltag? In Japan altern inzwischen alle Regionen, außer Tokio. Das bedeutet auch, dass die Gesellschaft schrumpft. Japan hat seinen Bevölkerungspeak vor drei Jahren überschritten. In den nächsten dreißig Jahren fällt ein Viertel der Bevölkerung weg. Das ist nicht bloß ein Problem des Gesundheitssystems, sondern der Gesellschaft allgemein. Und Roboter sind keine Lösung.

Freedom II Andres

Ich schaue die Reportage „Im Reich der Hunderjährigen: Asiens alternde Gesellschaft„, die am 21. Oktober in 3Sat lief. Angesprochen habe ich außerdem den IAB-Kurzbericht über die Arbeit der Alten in Deutschland und die Podcasts Mikrodilettanten und die Freakshow. (automat. erstellt. Transkript)

Influencer und Innovationen bei der Buchmesse

Montag, 15. Oktober 2018, 17:06 Uhr

Der Fortschritt macht uns das Leben leichter. Schön für ihn und alle, die Spaß am Gerät haben. Bücher sind aber noch keine Geräte, sondern weiterhin tote Bäume, und für die gilt was anderes: Die Tollen strengen uns an. Die ausgezeichnete Inger-Marie Mahlke spricht vom Buch als „Zumutung“, die uns was abverlangt und Vergänglichkeitserfahrung macht, wie sonst nichts. Und genau das suchen und wollen wir doch. Aber warum müssen die tollen Bücher zugleich die teuren sein. Denis Scheck lobt die Essay-Sammlung von David Foster Wallace, die schlappe 30 Euro in der elektronischen Variante kostet. Kein Wunder, dass die Buchmesse von uns nichtssagenden Influencern gestürmt wird, wenn uns jeder Blick tiefer als ins Buch-Cover ruiniert. Die Leser sind schon länger weg. Der Kaviar verschwand in diesem Jahr. Es beginnen die Gespräche darüber, wie viel Freiheit das gute Buch braucht. Und vielleicht folgt bald eine Diskussion darüber, wie der unaufhaltsame technologische Fortschritt die Leichtigkeit ins literarische Leben zurückholen kann.

Jo Christian Oterhals

Ich gucke hr Hessenschau, 3Sat Kulturzeit, ZDF Literarisches Quartett, ARD Tagesthemen, ZDF heute Journal, Deutsche Welle, ARD Tagesschau, Und ZDF/3Sat das Blaue Sofa. (automat. erstellt. Transkript)

Wem die AfD ihr Angebot macht

Montag, 8. Oktober 2018, 20:15 Uhr

„Ungelöste Rätsel der Wirtschaftswissenschaften“ lautet der Untertitel eines wichtigen Buchs, das heute schon eher Geschichtsbuch ist. Wir besitzen (Wirtschaft), also regeln wir (Recht) und klären vorher, nach welchen Prämissen (Politik). Aber wer besitzt denn noch, und was? Die Filme die wir schauen, die Bücher die wir lesen und die Musik die wir hören lizensieren wir. Wir besitzen, verleihen und verkaufen sie nicht mehr. Wer ein Haus hat, hat Glück. Großes Eigentum wird heute nicht mehr erarbeitet, sondern verteidigt. Solche Strukturbrüche verändern die DNA einer Gesellschaft und es dauert lange, bis man sich darüber verständigen kann. Wir schlagen einen Bogen von Rom ins 12. Jahrhundert bis heute.

Jacob Surland

Angesprochen habe ich heute die „Eigentumsökonomik“ und „Eigentum, Zins und Geld“ von Gunnar Heinsohn und Otto Steiger. Malte hat „Philosophie des Geldes“ von Georg Simmel genannt. Hier ist sein vollständiger Kommentar. Mathias empfiehlt den Podcast „The History of Rome“ und Sebastian den „Schulsprecherpodcast“. Meinen Text über die Frankfurter Grundschulen findet ihr hier. Anna-Katharina hat uns auf die Spur von Mark Blyth geführt. Genannt hab ich zudem „Das Methusalem-Komplott“ und „Minimum“ von Frank Schirrmacher. Buchempfehlungen von Anna-Katharina, Stefan und Kerstin: Hillbilly Elegy von J. D. Vance, Strangers in Their Own Land: Anger and Mourning on the American Right von Arlie Hochschild und Die deutsche Gesellschaft im dritten Reich von Dietmar Süß. (automat. erstellt. Transkript)

Eigentum vs. Engagement

Mittwoch, 26. September 2018, 14:08 Uhr

Was treibt denn nun die Gesellschaft auseinander? Sind es arme Protestwähler, die sich vom Staat im Stich gelassen fühlen, oder sind es Eigenheimbesitzer, die vor lauter Grübeln über ihr materielles Fortkommen die Welt vor ihrer Haustür übersehen? Die wissenschaftliche Literatur gibt mehrere Antworten zu den Fremdheitserfahrungen, aber eine klare Tendenz. Und die Politik? Sie investiert – je nach Deutung – in die Fliehkräfte, auch wenn sie es anders meinte.

Steve Begin

Aus den Kommentaren gehe ich heute auf Texte der Autorinnen Thomas Lux, Steffen Mau; Holger Lengfeld, Clara Dilger; Cornelia Koppetsch und Byung-Chul Han ein. Herfried Münkler hören wir im Radio. (autom. erstellt. Transkript)