In Deutschland sterben wir, ganz selbstverständlich, in den Häusern, die wir mit dreißig finanziert und gebaut haben. Genauso unhinterfragt ist Einsamkeit eines der größten Probleme, insbesondere alter Menschen. Gibt’s da denn keine Lösung? Wohnt man in der Schweiz in einer Genossenschaft, muss man umziehen, wenn die Kinder aus dem Haus sind. In Deutschland ist dieser Weg zum dichteren peer-group Wohnen häufig verbaut. Zu wertvoll sind uns unsere Wohnungsschätze, deren Preis wohl auch von der Mafia getrieben wird. Transparency International schätzt, dass zehn Prozent des deutschen Immobilienmarkts aus Geldwäsche besteht. Nur das Fernsehen bietet einen Ausweg und simuliert mit abendlichen Talkshows Geselligkeit im leeren Wohnzimmer.
Gute Reportagen schreiben und mit ihnen Journalistenpreise gewinnen ist „auch ein ethisches Problem“, schrieb Claudius Seidl schon 2010. Denn gute Reportagen verführen ihren Autor, zu verschleiern, dass sie nicht aus „Fleisch, Blut oder quietschenden Autoreifen“ bestehen, auch wenn sie davon handeln, sondern nur aus Worten, die ein Autor wählt, mit denen er wie ein Gott durch das Erleben seiner Leser pflügt. Doch wo ist die „asketische moralische Strenge“, die sich aus dieser Verantwortung ergibt? Beim Spiegel hat nicht nur ein Autor betrogen, sondern ein System versagt. Und ein ganzes jouranlistisches Genre ist daran gescheitert. Nur eingestehen will man es sich wieder einmal nicht. Fürs Schreiben der Rentnerrepublik denke ich heute etwas in Zeitnot darüber nach.
Wenn man in Japan hundert Überstunden in einem Monat ansammelt und im nächsten stirbt, geht man in die Karoshi-Statistik der Regierung ein. Es sei denn, man tötete sich selbst, dann ging man den freiwilligen Helfern der Präventionsvereine durch die Lappen, die um Brücken und Clippen spazieren, um Menschen vom Suizid abzuhalten. Man rutscht dann in eine andere Statistik. Wenn sie die Arbeitswelt überleben, ist die Chance inzwischen 50:50 für Neugeborene, einmal hundert Jahre alt zu werden. Mit nichts davon haben wir hier Erfahrung, doch in zehn Jahren sind das alles auch unsere Probleme. Es sei denn, wir denken über Migration neu nach und schaffen es, mehr als 1,57% Erbschaftssteuer zu erheben. Wir sind Protagonisten im spannendsten – und geheimsten – Thriller der westlichen Welt.
Ich lese heute Economist, FAZ und gucke Tagesthemen und heute Journal (Transkript)