Sag’s in 7 Minuten

Mittwoch, 29. August 2018, 9:03 Uhr

Ich bespreche eure Kommentare zum ersten Talkradio. Zur Sprache kommen dabei die Hörbücher von „Harry Potter“, gelesen von Rufus Beck (de) / Stephen Fry (en) und Daniel Kahnemans „Schnelles Denken, Langsames Denken“, gelesen von Jürgen Holdorf. Das eine ist nämlich das denkbar beste Hörbuch (in beiden Sprachen) und das andere fürs hörende Format ziemlich ungeeignet.

Jonas Tana

Wer gerne hört greift am besten in die Geschwindigkeit ein und orientiert sich am Speed-Sweet-Spot 1,25-fache Geschwindigkeit. Außerdem empfehle ich für alle Aufgaben die irgendwie mit Medienkonsum, professionell und privat, zu tun haben: Pinboard. Den angesprochenen Twitter-Account von Pinboard-Macher Maciej Ceglowski könnt ihr mal durchstöbern.

Wir lesen mehr als jemals zuvor, aber mindestens im gleichen Maße auch sprunghafter. Die 7-Minuten-These für digitale Texte findet ihr bei Mike Sall. Die beiden sozialen Phänomene die ich am Ende in Beziehung zueinander setze, obwohl unklar ist was sie miteinander zu tun haben, heißen: #Hikikomori und #Juvenilisierung (nach Andreas Reckwitz).

Danke für eure Kommentare. Großer Dank an Mathias und Markus für die Musik und an Konsument#1 Marc. (Von Frieda korrigiertes Transkript)

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17 Gedanken zu „Sag’s in 7 Minuten“

  1. In Pocket Casts kann man die aktuelle Abspielposition per Link teilen und z.B. in Pinboard anlegen, wo man wiederum Notizen und Tags usw. anlegen kann. Der Link selbst von Pocket Casts sieht dann so aus: https://pca.st/vLY0#t=890 Man hat also sowohl die Stelle als Lesezeichen mit Notiz in Pinboard und kann außerdem gleich nochmal die entsprechende Stelle an- oder nachhören, super praktisch (Wichtig: Das Teilen bzw. Erstellen des Links mit der Zeitmarke geht seitens Pocket Casts nur bei bestehender Internetverbindung) Ich verwende Pocket Casts und eine Pinboardapp unter Android und das funktioniert sehr gut mit den Lesezeichen. Für EiOS gibt’s das wohl auch, Kauf lohnt sich auch sonst.

    1. Sprechen – Hören:
      Medium: Luft (Schallwellen)
      Produktion/Rezeption: Schallwellen (dynamisch, symbolisch, grundsätzlich unverdauert*)

      Schreiben – Lesen:
      Medium: Fläche, kontrastfähig (z.B. Papier + Tinte/Druckfarbe, Display, grundsätzlich verdauert*)
      Produktion/Rezeption: Buchstaben, Wörter, Sätze (statisch, diskret, symbolisch)

      *verdauert/unverdauert: Schallwellengebundene Kommunikate sind zwangsläufig zeitgebunden-linear. Sie sind für Produzent wie Rezipient als physikalisches Ereignis prinzipiell sofort „verloren“ und nur technisch mithilfe der ‚Aufnahme‘-Praxen (z. B. Rückspulen, Nachhören) bzw. kulturell durch die Praxen des kopräsenten, ‚echten‘ Gesprächs als kommunikativ-soziale Intervention (z.B. Nachfragen, Unterbrechen, Wiederholen) auch rückwirkend „beherrschbar“.

      Geschrieben-Gedrucktes bedarf hingegen einer minimalen medialen Verdauerung (selbst bei „Laufschriften“ oder „Tafeln“). Es ist somit jederZEIT rezipientenseitig nahezu beliebig „rückstellbar“ bezüglich Taktung und Portionierung. Schnelle Leser erfassen „Seitenbereiche“, geübte mindestens „Zeilen“, jedenfalls liest kein kompetenter Leser Einzelwörter oder gar Buchstaben. Zudem: Langsames oder schnelles Lesen erzeugt keinerlei Verzerrung, (technisch!)-beschleunigtes/verlangsamtes Hören schon.

      Ein Sprecher/Vorleser eines bestehenden Schrifttextes „transkribiert“ (Ludwig Jäger) ein Präskript (Schrifttext) zu einem Transkript: Er verändert es zwangsläufig, denn er verfügt über die Macht der Betonung, des Stimmhöhenverlaufs und des Tempos.

      Jedes Hörbuch ist ein Sprechbuch und hat mindestens 2 Autoren.

  2. Zum Thema „Juvenilisierung“: Precht beschrieb 2009 in seinem „Liebe“-Buch die individualisierte Gesellschaft. Ein Gedanke daraus zur alternden Gesellschaft ist mMn ganz interessant.

    So behauptet Precht, dass sich die sogenannte „Midlife Crisis“ von Ü40 nach vorne verschoben hat und der Mensch sich spätestens ab der Adoleszenz in einem Zustand der „kulturellen Neotenie“ befindet. Den Begriff entlehnt Precht aus der (Neuro-)Biologie, er beschreibt – wenn ich das noch richtig zusammen bekomme – eine Entwicklung, die erst nach der Geburt oder sogar niemals abgeschlossen wird. Laut Wikipedia ist Neotenie die „Beibehaltung von Jugendmerkmalen“. Für Details müsste ich an dieser Stelle nochmal ins Buch schauen. Eventuell meint Juvenilisierung auch genau diese Entwicklung.

    Als Erklärungsmodell finde ich Prechts Gedanken gar nicht mal so schlecht. Fraglich ist für mich ein bisschen, wie allgemeingültig kulturelle Neotonie, Hikikomori und Juvenilisierung sind. Vielleicht ermöglicht auch gerade „die Gesellschaft der Singularitäten“ (Andreas Reckwitz) eine Koexistenz dieser individuellen Lebensverläufe.

    LG
    Sebastian

  3. Guten Tag Stefan,

    kann man wenn man dich unterstützt das Buch auch gedruckt zugeschickt bekommen ?
    (unterstütze dich natürlich so oder so)

    1. Ja. Ich will nur noch keine Versprechungen machen, aber es wird so kommen, dass jeder eine gedruckte Version bekommt.

  4. 1400 Wörter sind doch, falls ich mich nicht verrechnet habe, auch nur 4-7 Minuten Lesedauer ?
    Als Vorgabe für dich einen Gedanken in dieser Länge ausformulieren zu müssen find ich das natürlich gut aber als Leser wünsch ich mir dann einfach nen neuen Absatz und/oder mehr Belege.

  5. Hallo Stefan,

    beim Aufwachen Podcast bietet ihr neben m4a auch MP3 und OPUS (beste!) an. Wäre cool, wenn du das hier auch machen könntest oder zumindest MP3 als legacy support, weil m4a ist nur auf Apple Geräten so richtig schön nutzbar. Die meisten Audioplayer behandeln das wie ein Video und ich bekomme das auf meinem Android Smartphone nur über den VLC-Player abgespielt.

    Viele Grüße
    Sportmeister

    PS: Dr. Datenschut stellt gerade fest, dass hier auch noch eine E-Mail-Adresse abgefragt wird. Einfach mal den Code vom Aufwachen Pod spicken. 😉

  6. Zunächst: Dieser Podcast ist schon nach zwei Folgen wirkliches Gold!

    Es interessiert mich genauer, daher muss ich nochmal nachfragen: Ich bin Studi im zweiten Semester Soziologie/Linguistik. Deine Arbeitstechnik mit Citavi und Pinboard wirkt effizient. Von den Arbeitstechniken schaue ich mir gerne was ab. Mir blieb nach dem Kapitel etwas unklar, wie du die Inhalte im ersten Schritt auf die Tools Citavi oder Pinboard verteilst. Hab’s erst so verstanden, dass zunächst 100% der potentiell interessanten Inhalte auf Pinboard landen und dann erst im zweiten Schritt für Citavi qualitativ gefiltert werden. Den Citavi-Picker nutzt du jedoch auch, meintest du – aber wann genau? (Den nutz ich auch.) Und wie genau funktioniert das Übertragen von Pinboard auf Citavi? (Kenne Pinboard bisher nicht.) Krasse Detailfragen, sorry, aber da ich deine Arbeitsmethode interessant finde, würde ich sie gerne im Detail verstehen.

    Zu der Diktiersoftware: Das ist ja wirklich ausgereifte Technik, wenn man sich so manches YouTube-Video anschaut. Hab trotzdem einige Fragen: Kannst du einschätzen, ob die 99€-Version, die ich gewillt wäre zu bezahlen, massive Einschränkungen gegenüber deiner 400€-Version, die ich weniger gewillt und noch viel weniger befähigt wäre zu bezahlen, hat? Aus den auffindbaren Vergleichstabellen wird man nicht so richtig schlau, wenn man das eigentliche Programm und seine Handhabung – und damit den Einfluss fehlender Features – noch nicht wirklich kennt.

    Noch paar weitere Fragen: Wie stark musst du die eingesprochenen Texte dann an der Tastatur nochmal händisch redigieren? Formulierst du Absätze manchmal fünfmal und schaust dann welcher am besten aussieht? Scheint ja einfacher zu sein neu anzufangen als – ohne an die Tastatur zu gehen – den eingesprochenen Text zu korrigieren, insbesondere wenn man gar nicht in Bildschirmnähe ist. Und: Stört das kontinuierliche Einpflegen von Befehlen wie „caps“, „comma“ und „new paragraph“ nicht ungemein den beim sprechenden Schreiben ohnehin schon herausgeforderten Fluss der Gedanken?

    Zwei kurze Anmerkungen zum Schluss: Dann muss ich mich demnächst ja immer einsam in die Gruppenarbeitsräume setzen, um meine Texte einzusprechen – verdammte Bibliotheksruhe! Ob Luhmann wohl Dragon benutzt hätte?

    „Ohne zu schreiben, kann man nicht denken; jedenfalls nicht in anspruchsvoller, anschlussfähiger Art und Weise.“
    Luhmann, Niklas; Kommunikation mit Zettelkästen. Ein Erfahrungsbericht, in N. Luhmann, Universität als Milieu, Bielefeld, 1992

    Unterstützung kommt trotz knappen BAföGs alsbald. Weitermachen!

  7. Ein kurzer Kommentar zum Thema Hikikomori:
    Ich hab mal ein (Jugend-)Buch gelesen, das im Japan der Samurai spielte. Da rettet der Held seinen Mentor aus dem Gefängnis und enthauptet ihn dann auf dessen eigenen Wunsch, da das der ehrenvolle Tod ist, nachdem er seine Ehre bzw. die seiner Familie durch’s sich-gefangen-nehmen-lassen (oder so, genau weiß ich es nicht mehr) verwirkt hatte (laut Wikipedia heißt das Seppuku, eine ritualisierte Art des männlichen Suizids). Ich fand das damals total verrückt, jemanden zu retten, nur um ihn dann „ehrenvoll“ umzubringen. Ich weiß allerdings nicht mehr, wie das Buch heißt, war aus der Bibliothek und ist schon ewig her.
    Ich kann mir vorstellen, dass diese Tradition, die Ehre und vor allem die Ehre der Familie so wichtig zu nehmen, einen gewissen Einfluss auf die hohe Suizidrate und die Schlafzimmer-Schicksale hat.

    lg Frieda

  8. Hallo Stefan.

    Gern geschehen! Dass du mit deinem Talk Radio eine Perle geschaffen hast, war mit der ersten Ausgabe (experimentell im AufwachenPod ebenso) Gesetz. Grandios schlechtes Timing, dir einen Tag vor diesem Schatz zu schreiben. Wenn es auch keine Aufforderung war, hole ich die inhaltliche Rolle gern etwas nach 😉

    Wie sehr doch dieses Format „Buch“ gleichzeitig so entwicklungsdynamisch und konservativ sein kann. Die ersten beiden Kommentare unter Folge eins pointieren: Sachbuch als Hörbuch = schwierig. Mir bleibt lediglich anerkennendes Beipflichten zu den erwähnten Gedanken die Ursachen betreffend, sowie eine Frage. Was ist neben der Struktur der Argumentationskette verantwortlich für diesen erheblichen Unterschied oder ist der Grund singulär? Die Architektur des Empfängerhirns vielleicht? Nach Tonis Aussage sind für alle Hörer aufgrund der physikalischen Prozesse die Inhalte vorgelesener Sachbücher „sofort verloren“. Gibt es jemanden da draußen, der fähig ist, problemlos konzentriert einem eingesprochenen Sachbuch inhaltlich zu folgen? Bitte melden.

    Kleine Analogie zum Verzehr von Nahrung gegenüber des Konsums von Information: Mein Lieblingsessen wird mir an einem Ort, der mir gefällt, wahrscheinlich noch besser schmecken als an einem mir unangenehmen Platz. Die sich daraus ergebende Frage: Reicht „satt“ sein als Kriterium für eine erfolgreiche Vermittlung von Information? Ist mir das Medium oder die Form unangenehm, kann ich wenig mit der Information anfangen – sie wird mir nicht schmecken, oder besser: sie wird mich nicht erreichen. Sättigen können beide Fälle, das Bewusstsein nachhaltig erreichen nur einer und gleicht damit der unsichtbaren Verbindung zwischen notwendiger und hinreichender Bedingung. Für den messbaren Erfolg von Informationsvermittlung zählt eben das Was und Wie.

    Deshalb nehme ich mir persönlich auch die Zeit, selbst sechs Stunden dauernde Podcasts in einfacher Geschwindigkeit zu hören, weil es mir nicht ausschließlich um den Inhalt geht sondern auch um den Konsum per se. Das mag vielleicht ineffizient klingen, da ich natürlich quantitativ weniger Informationen in der gleichen Zeit wahrnehme und empfange, nur schmeckt es mir einfach besser und folglich glaube ich dadurch qualitativ mehr mitzunehmen. Es kommt mir einfach so vor, als bin ich Teil der Gedanken, des Dialogs, der Ansprache, des Monologs, wenn ich es bei 1,0 belasse. Die perfekte Lösung? Kann jeder nur für sich selbst finden.

    Als ehemaliger Buchhändler (und nicht nur deswegen und von der Rente auch noch ein Stück weit entfernt) bin ich einfach vom Objekt Buch begeistert und teile die Euphorie von Menschen, die das Haptische so reizvoll finden im Kontrast zu einem 5+x-Zoll-Device – völlig gleich ob auditiv oder visuell verwendet. Diese Devices sind für mich die perfekte Ergänzung zum klassischen Buch. Das Nachschlagen mir unbekannter Begriffe oder die tiefere Recherche zu einer beschriebenen Thematik, schriftlich Gedanken formulieren, all dieses kann nur digital noch wirklich effizient erledigt werden. Andere mögen mit der Hardware Buch wiederum wenig anfangen können und digitalisieren ihren Konsum restlos. Wer hat noch Lexika aus Inhaltsgründen? Der Brockhaus verschönert mitunter die Einrichtung, erhellt jedoch unheimlich gemächlich bis gar nicht und zum Teil veraltet dunkle Kenntnislöcher. Gleiches gilt für klassische Notizbücher*, die sich einmal gefüllt, nicht mal eben sortieren und zügig durchforsten lassen. Trotzdem bleibt es eine Frage des eigenen Könnens und Geschmacks sowie der eigenen Zielstellung. Der formlose Konsum von Informationen muss noch erfunden werden. So zeigt sich das Format gleichzeitig als Filter.

    Ich jedenfalls bin förmlich begeistert und freue mich jetzt schon auf den eigentlichen Inhalt und die vorausgehende Teilung der Erarbeitung innerhalb deines Talk Radios inklusive deiner Hörer und Kommentatoren, auch wenn die Formfragen wie das Medium Potential genug für ein eigenes Buch bergen.

    TL;DR Vor deinem Talk Radio war ich überzeugt, kein digitales Medium kann bedrucktes Papier zwischen zwei Deckeln schlagen. Das wird nun eng für‘s Buch. Deine Art im Umgang mit Informationsvermittlung ist beispiellos.

    *Für iOS gibt es das herausragende Notizprogramm ZoomNotes mit einer überdimensional großen Fläche auf einer Seite. Damit lassen sich Verknüpfungen und Zusammenhänge von Inhalten so visuell in Kombination darstellen, bis ein regelrecht sichtbares Assoziationsnetz entsteht; was kein noch so prachtvoll in Leder gebundenes Notizbuch zu leisten vermag.

  9. Bin Heute und jetzt erst zum Hören gekommen:
    Möchte den Gedanken von Pascal unter der letzten Ausgabe nochmal gesondert loben:
    widerspricht/koexistiert die “Rentnerrepublik” nicht der/mit der “Juvenilisierung”* bei Andreas Reckwitz (in: Die Gesellschaft der Singularitäten) wonach Jugendlichkeit(also Offenheit(nicht im ethnischen Sinne sondern im freizeitaktivistischen), Selbstverwirklichung, Bewegungsdrang, gewisse urbane und kosmopolitische Freizeitaktivitäten, für Rentner also”aktives Altern”)zu einem attraktiven und somit dominanten Kulturmuster für alle Altersstufen wird, natürlich nur für Leute die es sich leisten können(= die 40% grosse Akademikerklasse)?

    *, die entstand, weil es seit den 90ern keine genuine Jugendkultur gibt

    Ich würde noch andere Faktoren anlegen: Wir haben reiche Alte – im Schnitt also länger fit geistig offener für Neues, was sich in den auch freizeitlichen Aktivitäten ausdrückt. Wir haben aber auch eine Elterngeneration, die jetzt Alt wird, die den 68er zuzuschlagen sind und an denen sich die Kinder nicht mehr reiben konnten: es wurde nicht mehr geschlagen oder ein Basta-Wort an die Kinder gerichtet.
    Dieser Umstand hat es sogar in Filme geschafft.

    Wird jede Generation anders alt?

    Die soziokulturellen Folgen einer japanischen Gesellschaft, die vielleicht andere Werte hat als unsere sind, interessant und die Phänomene die Stefan erwähnt wie das Wegschließen, der Selbstmord oder Altenzeltstädte – deren Bewohner sich schämen weil sie keinen Beitrag mehr zum gesellschaftlichen Fortkommen leisten können sind ebenso faszinierend aber doch vielleicht einem etwas anderen Wertegrüst zuzuschlagen.

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